Unsere Aufmerksamkeit gilt diesmal dem Start von CivBE und dem Spielinhalt Raumfahrt. Bevor die Reise in die Neue Welt beginnt, muss einiges organisiert werden. Die Geschichte beginnt auf der Erde; damit, dass ein Sponsor gefunden wird, der die Unternehmung unterstützt, ein Raumschiff mit Besatzung und Fracht ausgerüstet wird.
Autor
Oliver Weidemann
Autor & Civilization Spezialist
Die wohl entscheidenste Wahl ist die des Sponsors. Sie ist vergleichbar mit der Wahl der Zivilisation der
Civ-Reihe oder der Fraktion in anderen Spielen. Sie legt die Grundausrichtung etwa auf Militär oder Diplomatie, Forschung, Handel oder Produktion fest. Neu für die Civ-Reihe sind hingegen sind
die nachfolgenden Entscheidungen zur Ausrüstung von Raumschiff und Besatzung, die dem Spieler mehr Freiheiten bieten. So startet man eine Partie mit einem schön modelierten Hintergrund und freut
sich auf die Hindernisse die da kommen. Dies wurde in vielen Reviews als sehr gut bewertet Sie gegründet die Geschichte und erhöht den Wiederspielwert. Sehen wir uns nun diese Schritte
an, aus denen man zwischen verschiedenen Vorteilen wählen kann.
Die Besatzung: Besteht der Hauptteil der Mannschaft aus Wissenschaftlern oder Künstlern? Dies wird auf die Entwicklung der Kolonie und den Spielverlauf Einfluss nehmen.
Warum jetzt genau Aristokraten die Energieproduktion verstärken oder Künstler die Gesundheit verbessern erschließt sich auf Anhieb nicht, aber wie genau die Gruppe heißt, ist für den weiteren
Spielverlauf leider auch nicht sonderlich wichtig.
Die Auswahl der Besatzung hat bisher keine weitere Auswirkung auf etwaige Zufallsereignisse während der Reise oder im Verlaufe des Spiels. Eine Besatzung, die zum größten Teil aus Flüchtlingen
besteht, könnte etwa zu Beginn einer Partie [für 10-20 Runden] erhebliche Nachteile in Bezug auf die Forschung bedeuten. Für Wissenschaftler oder Aristokraten hingegen könnten höhere Produktions-
oder Instandhaltungskosten von Militäreinheiten implementiert werden.
Firaxis hat sich dagegen entschieden, den Besatzungen mehr Charakter zu geben. Hier gilt wieder „Weniger ist mehr“. Die Vielzahl der Spieler will eigentlich starten und sich nicht nicht am Boden mit einer Vielzahl an Optionen beschäftigen.
Die nächste Entscheidung, die getroffen werden muss, betrifft narrativ das Raumschiff, spieltechnisch den Moment des Spielstarts auf dem Planeten. Man kann aus drei verschiedenen Scannern auswählen. Diese ermöglichen es dem Spieler ihre Umgebung schon bei Spielstart besser einzuschätzen. Ähnliches gilt auch für die Auswahl Rückstossraketen, die dem Spieler eine bessere Sicht um den Landeplatz und Auswahl bei der Plazierung der Kolonie ermöglicht. Wer auf all diese Vorteile verzichten will, startet mit mehr Energie, der spielinternen Währung.
Spieltechnisch lehnt dies an den Beginn einer Civ-Partie in der Steinzeit an. Dies hat mit einer Koloniesierung mit Hilfe eines Raumschiffs nur bedingt etwas zu tun: Ein Raumschiff, dass einen Planeten ansteuert, nutzt das Gravitationsfeld dieses Himmelskörpers, um die eigene Geschwindigkeit zu reduzieren und in eine Umlaufbahn zu gelangen. Von dort aus kann man mit Kameras, anderen Sensoren und auch allein durch ein Bullauge auf den Planeten sehen.
Wenn keine Wolken die Sicht verhindern, kann man die Oberfläche des Planeten auch mit bloßem Auge karthografieren und dann damit beginnen sich einen geeigneten Landeplatz zu suchen. Mit heutiger Technik ist es mit einer VW-Käfer großen Sensorenbatterie möglich durch Wolken hindurch ein Höhenprofil von der Oberfläche zu erstellen. Der Spieler wird zu Anfang extra im Unklaren gelassen, wie genau die Beschaffenheit der Oberfläche ist. Spieltechnisch sinnvoll, denn zu Anfang macht es dem Spieler Spaß den Nebel des Krieges mit Einheiten zurückzudrängen und sein Umfeld selbst zu entdecken. Narrativ wird auf diese Lücke nicht eingegangen.
Bei dem Vorgänger SMAC wurde die Situation genial und spannend durch die Story plausibel erklärt: Ein Unfall (oder Sabotage?) verhinderten ein längeres Verbleiben der Pioniere des Raumschiff Unity um den Planeten Chiron, so dass karthografieren und ein maßvolles Planen der Landung nicht mehr möglich waren. Später jedoch wird mit dem Start eines neuen Satelliten die gesamte Weltkarte aufgedeckt.
In CivBE kann der Spieler relativ schnell seine ersten Satelliten in den Orbit schicken. Wie bereits in Artikel 4 erläutert, sind nur geostationäre Satelliten möglich. Zudem verhindern diese auch noch das andere Satelliten in deren Einflussbereich gebracht werden können. Platzmangel im All? Werden eindringende Satelliten direkt abgeschossen? Hier kommt wieder die Spielmechanik hervor, die dem Spieler auch auf der Orbitalebene ein Maximum an Übersicht ermöglichen soll.
Andere Umlaufbahnen um den Planeten ermöglichen eine verbesserte Aufklärung aber bei CivBE gibt es diese Möglichkeit die gesamte Weltkarte auf einen Schlag aufzudecken nicht. Erkundung via Satellit gelingt allerhöchstens kleinräumig und ist zunächst an die nähere Umgebung der Kolonie gebunden. Erst im Midgame werden wenige weitere Satelliten-Spielmechaniken freigeschaltet.
Auch bei der Spiele-Konkurrenz hat man mit dieser Problematik zu arbeiten. Proxy bietet bei Pandora eine andere Lösung an und vermeidet sämtliches Orbitalmanagement. Zwar bleibt der Spieler zu
Beginn auch hier im unklaren, im weiteren Spielverlauf jedoch können Satelliten das Feature Erkundung für sich gewinnen, ohne dass es gänzlich wegfällt: Der Spieler kann mit Hilfe von
Satellitenkontrollen am Boden kleine Bereiche erfassen und nun Stück für Stück die Kartenoberfläche damit aufdecken oder aber seine Satelliten zur Spionage und Überwachung von feindlichen Basen
verwenden. Die Erkundung wird zu einer Frage der Ressourcenverteilung innerhalb des Aufklärungs- und Geheimdienstes.
Doch zurück zum Spielstart und dem Narrativ bei CivBE vor dem Start der Reise. Fracht und Ausrüstung werden dem Spieler zur Mitnahme zu Verfügung gestellt: Maschinen oder Waffen mit denen
man Einheiten ausrüstet (Bautrupp oder Infanterie) oder doch lieber Verbesserungen für die Kolonie, so dass die Produktions- oder Forschungsbasis von Beginn an günstiger ausfällt.
Die beschriebenen Wahlmöglichkeiten passen narrativ sehr gut ins Bild. Firaxis hat sich den Start gut ausgedacht ohne zu viele bewährte Spielelemente der Civ-Reihe Preis geben. Ein weiteres Zeichen hierfür ist, dass ein Ausrüstungsgegenstand fehlt: Nuklearwaffen. Narrativ tapsen Spieler im dunkeln, warum mehrere Sponsoren in der Lage sind, Raumschiffe zu bauen, über mehrere Lichtjahre hinweg zu einem Planetensystem zu schicken, diese Raumschiffe aber alle ohne Atomwaffen ausgerüstet sind. Eine Erklärung hierfür ergibt sich bei einen normalen Spielstart nicht.
Auch im Spielverlauf gelingt der Bau von Raketen zum Aussenden von Satelliten problemlos, der Bau einer Atombombe dagegen bleibt zunächst verwährt. Mangelt es am spaltbaren Material oder wollten die Entwickler nicht die bewährte Spielmechanik verändern. Dem Spieler den roten Knopf an die Hand zu geben schränkt, je nach Stärke der Bombe, die Möglichkeit des Spielers ein, Kriege gegen die anderen Fraktionen zu führen. Atommächte sind äußerst gefährlich und Konflikte werden wegen dem hohen Zerstörungspotenials nicht offen ausgetragen, wie es zuvor in den Weltkriegen der Fall war. Damit sind wir bei ein Kernelement in der Civ-Reihe angekommen: Konflikte werden in offenen Feldschlachten geschlagen.
Armeen bestehen aus unterschiedlichen Truppengattungen, die sich gegenseitig ergänzen. Zwar wird das Kampfsystem nicht auf Stein, Schere, Papier- Mechanik reduziert, dennoch ist die Anzahl an verfügbaren Einheiten überschaubar.
Noch überschaubarer sind die Beförderungen für die einzelnen Einheiten durch Kampferfahrung. Um die Anzahl an Einheitentypen gering zu halten werden Einheiten mit älterer Technologie direkt in moderne Einheiten aufgewertet, ohne dass für den Spieler hierfür weitere Produktionskosten anfallen. Den wenigen Basiseinheiten folgen in drei weiteren Stufen aufgewertete Nachfolgemodelle, die sich nachher durch die Affinitätsstufe der Fraktion unterscheiden. Durch die Sammlung von Affinitätspunkten gelingt erst das Aufwerten der Einheiten, so dass das Erforschen dieser Technologien, die weitere Affintätspunkte erzeugen zu einem der Schlüssel für ein starkes Militär werden. Somit unterstützt das leichte verständliche Militärsystem noch stärker das Narrativ der unterschiedlichen Wege der Menschheit in die Zukunft. Simply clever.
Ein Umwerfen dieser Mechanik durch „die Bombe“ im Anfangsspiel wäre daher spiellogisch kontraproduktiv und ist daher auch nicht zu erwarten. Narrativ wurde die Lücke, warum aber keine Fraktion mit einer Bombe landet m.E. unzureichend bearbeitet.
Doch zurück zur Raumfahrt. Insbesondere seitdem Berliner Raketenrummel und dem Astrofuturismus der Weimarer Republik wurden die Möglichkeiten der Raumfahrt für die Menschheit diskutiert, da das Weltall damals endlich in Reichweite kam. Zum Greifen Nahe erscheint auch der Weltraum in CivBE und bleibt dennoch unerreichbar weit. Das Intro des Spieles zeigt den Neubeginn der Menschheit im Weltall, Raketenstarts, eine Weltraumbasis und Sternenschiffe – im Hauptinterface jedoch blinkt nicht mal ein Stern.
CivBE ist natürlich nicht das erste Spiel, dass die Besiedlung anderer Planeten aufnimmt und auch nicht das erste Spiel, das Menschen zusammen mit Aliens auf einem Planeten zusammentreffen läßt.
In Alien Legacy von Ybarra Prod. Inc. werden dem Spieler schon 1994 ermöglicht die ersten Schritte der Menschheit fern ab der Erde zu lenken. Hier muss ein Kolonieschiff in einem fremden Planetensystem geleitet werden. Aber hier muss man sich entscheiden welche Planeten (oder alle) des Systems man besiedelt. Dabei sind Basen auf eher erdähnlichen Planeten aber auch auf Asteroiden möglich, so dass sich eine interplanetare Wirtschaft entwickeln kann.
Bei dem neueren Sci-Fi Titel Planetary Annihilation von Uber ist dieser Umstand Kernelement des Spieles. Hier ist es möglich Asteroiden und Monde als Munition gegen Planeten zu verwenden, um alles auszuradieren was nicht bei 3 im Orbit ist.
CivBE konzentriert sich nur auf einen Planeten und das angesteuerte Sonnensystem wird nicht weiter angesprochen. Eventuell besteht es nur aus einem einzigen Planeten ohne weitere Planeten, Monde und Asteroiden?
Warum ist dies neben der Kriegsführung von Bedeutung? So denn Pioniere ein Sonnensystem neu kolonisieren, werden die Pioniere versuchen sich möglichst viele Ressourcen zu erschließen und dabei möglichst wenig Aufwand betreiben. Dabei ist es sinnvoll einige Einrichtungen im Weltall zu belassen, da es erhebliche Anstrengungen kostet einen Planeten wieder zu verlassen.
Es ist daher nicht unwahrscheinlich, dass einige Pioniere auf Einrichtungen im Weltall zurückbleiben. Vom Weltall aus können sie langfristig mit der/ den Kolonien am Boden handeln und, marktwirtschaftlich gesprochen, versuchen ihren Lage- und Kostenvorteil gegenüber den anderen Marktteilnehmern im Planetensystem zu nutzen. In CivBE scheint jedoch keine Fraktion auf diese Idee zu kommen zu sein, denn nichts bleibt im Weltall zurück... Nicht einmal ein Vermittlungsteilnehmer, der so eine Rolle übernehmen könnte, wurde bisher implementiert. So einen Vermittler findet man in der Gestalt des Königs bei Colonization und noch ausgefeilter in Form der Kirche in der Modifikation Religion & Revolution. Sie repräsentieren die Alte Welt.
Ein Spiel, dass im Zeitraum 1492-ca. 1800 in einem alternativen Amerika spielt. Die Kirche nimmt in der Modifikation Einfluss, etwa auf die Einwanderung oder die Diplomatie zwischen den europäischen Fraktionen oder fordert die Europäer auf die Ureinwohnern zu christianisieren, egal ob mit friedlichen oder kriegerischen Mitteln. CivBE behandelt den neu kolonisierten Planet wie ein isoliertes Eiland.
Dies könnte sich aber durch Ankündigung eines zweiten Spiels von Firaxis „Starships“ ändern und ein erfolgreicher Versuch werden, das Element Weltraum und Raumfahrt stärker in die Welt von CivBE zu bringen. Cross-Konnektivität heißt das Zauberwort.
Eine bisher nicht näher beschriebene Verbindung zwischen zwei für sich selbst genommen spielbaren Firaxis-Produkten. „Starships“ ist ein Weltraum-Spiel bei dem Flotten in Kämpfen gegeneinander antreten. Fraglich bleibt derzeit noch in wieweit der Einfluss von Starships auf eine Partie CivBE sein wird.
Betrachtet man CivBE jedoch alleine, hätte es viel mehr Möglichkeiten gegeben sich von der Civ-Reihe abzusetzen und den Spieler zu überraschen, indem man den Spieß einmal umdreht: Mit viel Wissen über die Planetenkarte starten, dass aber immer mehr etwa durch Tarntechnologien schwindet. Mit Atomwaffen starten, die aber mit der Zeit immer besser abgewehrt werden können. Also aus Nuklearwaffen doch Papiertiger machen, um dann letztlich den 4.Weltkrieg wie prophezeit wieder mit Pfeil und Bogen zu führen. [Wer sich dazu Impressionen einholen will, der lese doch „Der ewige Krieg“ von John Haldeman]
Aber ein Civ bei dem zu Anfang offene Kriege nicht ratsam sind? Ohne Erkunden der Weltkarte mit Spähern? Was sollen das für Zukunfts-Technologien sein, die später die Orbitalüberwachung verhindern und die Weltkarte wieder in den Nebel des Krieges tauchen...?
Eine spieltechnische Konzentration auf alt bewährte Spielmechaniken sind von Seiten der Spiellogik sinnvoll und damit im Sinne des Herstellers ein berechenbarer Erfolg. Getreu dem Motto: Schuster bleib bei deinen Leisten.
Bedauerlich bleibt das der Hersteller das Potential und die Möglichkeiten, die Sci-Fi stecken, bisher nicht stärker ausgeschöpft hat. Andere Entwickler nutzen ihre Kreativität mutiger oder kommunizieren mit der Community und loten so frühzeitig das (vermarktbare) Potential stärker aus. Dennoch können wir Spieler einen kleinen Zugewinn verzeichnen. Die Raumfahrt in CivBE wurde als bedeutsames Feature hinzugewonnen. Satelliten bieten dem Spieler mehr (mitunter auch spielentscheidende) Möglichkeiten um auf das Spielgeschehen des Planeten Einfluss zu nehmen. Obgleich die Videos zu Beginn des Spieles die Motive der Raumfahrt erfreulich stark und ausgiebig nutzen, wird dieses Thema im Spielverlauf nicht nur inhaltlich und atmosphärisch-narrativ stiefmütterlich behandelt, sondern auch grafisch leider sträflich vernachlässigt.
Nicht vernachlässigen wollen wir weitere Spielinhalte wie Diplomatie oder Spionage im vorerst letzten Artikel „Geheimnisse sind noch keine Wunder“.
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