Strategie – für Frauen (k)ein Thema?

"Wie ein Sattel nicht zum Ochsen, so passt die Bildung nicht zur Frau."

(Erasmus von Rotterdam)


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Lisa Kohl 
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Geschichtlich gesehen hatten Frauen kaum Mitspracherecht in strategischen Belangen, geschweige denn dass ihnen die nötige Bildung für diesen Bereich vermittelt wurde. Das gepflegte Rollenbild der braven Haus- und Ehefrau hielt (abgesehen von einigen Ausnahmen) bis in die Neuzeit an. Gemäß dem Ausspruch „Was der Bauer nicht kennt, frisst er nicht“, fristet auch heute der Bereich der Strategie ein eher jämmerliches Dasein, wenn es um den Frauenanteil geht. Frauen ergreifen meist typische Frauenberufe und Frauenhobbies. Die Mechanik der Rollenverteilung funktioniert heute also auch noch erstaunlich gut, auch wenn Emanzipation und Moderne dazu beitragen, dass sich diese Vorstellung schleppend auflöst. Schleppend ist aber eben nicht schnell genug und so bleibe ich für mich immer noch eine Art Individuum und Novum im Bereich der Strategiespiele. 

Mein Interesse an dieser Art Spiel entwickelte sich bereits recht früh und mein Vater war daran nicht wirklich unbeteiligt. Command & Conquer: Red Alert 2 hieß bei mir die erste Verführung in diesem Bereich. Es hat lange gedauert bis ich meinem Vater beim Spielen nur zusehen durfte und nochmal viel länger, bis ich es selbst in den Jahren nach der Veröffentlichung 2000 spielen durfte. Danach gab es eigentlich kein Halten mehr. Alles was mir an Strategie- und Aufbauspielen in die Finger kam, wurde gespielt: C&C, Age of Empires, Anno, Warcraft III., uvm..

Problematisch wurde es dann meistens erst, wenn man als Frau begann sich auch online in die Heeresschlachten zu stürzen. Entweder wurde es nicht geglaubt, dass eine Frau grade mit einer Horde Untoter über die armen menschlichen Bauern herfällt oder es kamen mehr oder weniger schmeichelhafte Sprüche bezüglich des eigenen Geschlechts. Als Beispiel kann man hier eben die berühmten Sprüche nennen, wie „Eine Frau gehört an den Herd, der Herd in den Keller, der Keller unter Wasser und das Wasser unter Strom“. Ich denke, dass es vielen Frauen an diesem Punkt dann so ergeht, dass sie sich von dieser Art zu spielen abwenden und anderen „frauenfreundlicheren“ Spielen zuwenden.

Im Zuge dieses Artikels habe ich mich im größtenteils weiblichen Bekanntenkreis umgehört, wie es dort aussieht und musste erkennen: Den Damen geht es genauso wie mir. Sie haben mit Strategiespielen begonnen, weil alles andere zu langweilig war oder sie wussten nicht mehr warum. Weitere Gespräche mit Herren der Schöpfung beförderten dann andere ähnliche Punkte zu Tage, wie die, die ich schon aufgegriffen habe:

  • Ein großes Klischee- und Rollendenken beherrscht immer noch die jetzige Generation
  • Die Darstellung des „typischen“ Nerds in den Medien
  • Kreativität vs. Logik/Strategie

Das Klischeedenken kann man kurz mit den Worten „Krieg ist Männersache“ zusammenfassen. Es waren immer Generäle und Soldaten, die die Gefechte geführt haben. Jetzt tut das der 08/15-Mann eben genauso am PC als virtueller General und/oder Soldat. Frauen waren bis weit in die Neuzeit eben „nur“ Hausfrau und Mutter und hatten sich um Mann, Kinder und Haushalt zu kümmern. Vielleicht (aber auch nur vielleicht) kommt daher diese Affinität zu Spielen, wo man sich ein virtuelles Leben aufbauen kann, als Beispiel eben Sims und Second Life. Eng verknüpft ist das alles mit dem 3. Punkt: Kreativität vs. Logik/Strategie. Auffallend sowohl in meinem, als auch im Bekanntenkreis von Freunden, ist, dass Frauen eher zu Rollenspielen tendieren und dort gehäuft vorkommen. Sie können dort ein gewaltiges Potential an Fantasie freisetzen, was einige so (fälschlicherweise) nicht in Strategiespielen sehen. Krieg ist stumpf, Krieg ist Gewalt, Krieg ist Männersache lautet hier der Tenor. Gewalt, Stumpfheit und ähnliches passt dann eben auch nicht zum Bild des vermeintlich „schwachen“ Geschlechts. Das hinter einem Krieg (sowohl virtuell als auch real) eine gehörige Menge an Strategie und Logik steckt, wird hierbei leider übersehen und man sieht nur das Vordergründige.

Als letzten Punkt möchte ich das Bild des „typischen“ Nerds anführen. Der Gamescom-Bericht von RTL hat einen Aufschrei in der Gamerszene ausgelöst, da ja angeblich alle Gamer hässlich, picklig, ungewaschen und zottelig sind. Auch hat man immer den kleinen pickligen Jungen mit Hornbrille, Hochwasserhose und Halbschuhen vor Augen, wenn von einem „Nerd“ die Rede ist. Das Bild ist jedoch geformt von den Medien und diese haben ein enormes Einflusspotential auf Menschen. Nehmen wir mal Frau Meier, die zufälligerweise einen Negativbericht sieht und sich direkt ihre Meinung bildet über das ganze Genre. Sie wird niemals einen Games Workshop oder ähnlich geartete Läden betreten, aufgrund der medialen Berichterstattung. Nehmen wir auch mal an eine Frau Müller hätte einmal das gleiche Erlebnis in einem kleinen Rollenspiel-/Tabletopladen gehabt wie ich und würde das Ganze nicht mit Humor nehmen: sie würde auch eventuell nie wieder den Laden betreten. Ich betrat damals mit zwei Freundinnen den Laden, sofort wurde es totenstill und man fühlte sich wie ein Affe im Zoo: man wartete, bis einem die Banane vor die Füße geworfen wurde. Selbst die Verkäufer schienen zu schockiert über Frauenbesuch zu sein, sodass sie einen nichtmal willkommen geheißen haben. Innerlich habe ich gelacht, doch jetzt im Rückblick betrachtet verschreckt das vielleicht die interessierte Frau, wenn sie entweder einer Mauer des Schweigens gegenüber steht oder (was auch schon passiert ist) direkt mit allem angebaggert wird, was geht.

Wenn ich jetzt nochmal alles Revue passieren lasse, ist das Desinteresse an Strategie bei Frauen meiner Meinung nach eine Mischung aus veralteten Rollenmustern, Klischeedenken und negativer medialer Berichterstattung. Da ich selber 40k-Anhängerin bin und eine Armee aufbaue, kann ich aber wohlweislich sagen: Strategie ist kein Hexenwerk. Strategie ist allgegenwärtig und simulierte Kriege sind nicht bloß pures Abschlachten. Es steckt ein großer Denkprozess dahinter, manchmal auch mit kreativen Teil (Tabletop).  Der Prozess des Umdenkens und Umorientierens hat schon begonnen, jedoch wird es meiner Meinung nach noch ca. 10-20 Jahre dauern, ehe sich eine andere Sichtweise auf Spiele im Allgemeinen und auf Strategiespiele im Speziellen entwickelt. Man muss nur bedenken: Es ist grade mal 50 Jahre her, dass eine Frau nur Hausfrau und Mutter war.

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Kommentare: 4
  • #1

    Souleni (Sonntag, 22 Februar 2015 18:31)

    richtig gut formuliert meine Liebe

  • #2

    Steinwallen (Sonntag, 22 Februar 2015 18:54)

    Die Story vom Tabletop-Laden erinnert mich an den Comic-Laden bei Big Bang Theorie... :) Zur Sache: Ich bin auch immer wieder erstaunt - auf meinem Youtube-Kanal habe ich bei knapp 2.500 Abonnenten ca. 2 Prozent Frauen als Zuschauer. Und das obwohl ich eher wenig kriegslüsternd bin... Strategiespiele sind wohl eine der letzten Männerdomänen.

  • #3

    Robert Markovac (Sonntag, 22 Februar 2015 19:00)

    Stimmt, dieser Teil erinnerte mich auch an Big Bang Theory. Auch ich fragte mich oft, ob es Frauen in diesem Genre gibt. In über 2,5 Jahren "Der Stratege" und fast 20 Jahren Strategie zocken, ist mir kaum eine Frau "virtuell" begegnet.

    Ich hoffe, dass sich die durch Lisa nun positiv andern wird.

    Die ersten Reaktionen sind schon mal sehr positiv.

  • #4

    SmartTactics (Mittwoch, 04 März 2015)

    Auch ich kann die Aussage von Steinwallen bestätigen. Auf mein SmartTactics Kanal, der die Schwerpunkte Taktik, Strategie und Simulation verfolgt, habe ich teilweise 0% weibliche Zuschauer. Sprich ich behaupte einen der männlichsten Kanäle Deutschlands zu führen: Beabsichtigt war dies nicht, aber vlt. eigenet es sich ja als Slogan :D
    Der Artikel ist schön geschrieben und macht Freude beim Lesen. Also nur weiter so.
    Gruß