von Oberst W. Klink
Europe Ablaze wurde 1985, zuerst für Apple Systeme, später auch für den C64 von der australischen Strategic Studies Group um das Entwicklerteam von Roger Keating und Ian Trout veröffentlicht und gehört meiner Meinung nach auch zu den Meilensteinen der Konflikt-simulationen.
Das System von Europe Ablaze basiert auf dem vorher schon veröffentlichten Spiel Carriers at War; mit einigen Verbesserungen und Änderungen auf die ich später zurückkomme. Europe Ablaze ist eine für die damaligen, aber auch heutigen Maßstäbe, ein äußerst detaillierte Simulation der strategischen Bomberoffensiven und des Luftkriegs in Europa, während des zweiten Weltkrieges. Auch wenn der Titelzusatz 1939-1945 vielleicht ein wenig irreführend ist, da es keine längeren Monats- oder Jahreskampagnen gibt; für Mitte der 80er Jahre mit nur limitierter Rechner- und Speicherleistung war das Spiel ein echter Strategiehammer.
Szenarien
Im Standardspiel sind drei vorgefertigte Szenarien erhalten: Die Anfangsphase der Luftschlacht um England im Aug./Sep. 1940, der Beginn der Bomberoffensive des Bomber Command der RAF im Juli
1943 und schließlich die kombinierten Tages- und Nachtbomberoffensiven der RAF und USAAF. Im Handbuch wurde noch ein zusätzliches Szenario, eine mehrwöchige Kampagne der Luftstreitkräfte im Mittelmeer im Jahr 1944 abgedruckt das man mit Hilfe des so SSG-typischen Szenarioeditors abtippen, abspeichern und natürlich auch spielen konnte.
Features
Europe Ablaze ist, wie bereits in der Einführung erwähnt, eine direkte Weiterentwicklung von Carriers at War. Einige der Änderungen und Anpassungen wurden aufgrund der unterschiedlichen Kampagnen und Konfliktgebiete (Europe Ablaze in Europa, Carriers at War im Pazifik) durchgeführt, andere hingegen wegen den verbesserten Programmiertechniken Roger Keatings. Wie bei Carriers at War werden alle Aktionen jedes einzelnen Flugzeuges der teilnehmenden Luftstreitkräfte bis auf die Minute Spielzeit detailliert berechnet. Als Grundeinheit fungieren Staffeln und Gruppen von 1 bis 31 Flugzeugen. Jede einzelne Staffel oder Gruppe wird im Detail aufgelistet – Verluste bis dato, aktuelle Reparaturen, die Einsatzbereitschaft und die Erfahrung der Piloten, usw. Auch was die einzelnen Ziele, Flugplätze, Flakbatterien und Radarleitstellen betrifft, bei Europe Ablaze wurde versucht alles Wichtige in die Simulation mit hineinzubringen.
Planungsphase
Das Programm war für die damaligen Verhältnisse eine Herausforderung an die Rechnerleistung. Heutzutage kann man es auf den gängigen Apple- und auch C64-Emulatoren ohne Probleme und Verzögerungen
genießen. Weiter geht’s mit dem Planungsphase. Am Anfang eines Tages setzt man als Oberkommandierender der Luftstreitkräfte die Zielpriorititäten der Luftflotten fest, verteilt vorhandene schwere
Flakbatterien, studiert die Wettervorhersage und liest sich die Aufklärungsberichte der Ziele fest. Dies geschieht jeweils zwei Mal. Tagesoperationen, insbesondere die Angriffe auf Ziele,
Jäger-Patrouillen, usw. werden um Mitternacht geplant, Nachtoperation um 12 Uhr mittags. Ist man mit seinen Einstellungen zufrieden kann man die Missionen der kommenden 12 Stunden ausführen
lassen.
Missionen
Je nach Weisungen des Oberkommandierenden der Luftstreitkräfte und Verfügbarkeit kann man bis zu 9 Bomber- oder Angriffsmission mit leichten, mittleren und schweren Bombern planen und
durchführen.
Damit man ein besseres Bild von den Zielgebieten bekommt, kann man Aufklärungsmissionen vor/ nach den Angriffen losschicken. Des Weiteren kann man auch einzelne Staffeln oder Gruppen, egal ob Jäger, Jagdbomber oder Bomber, auf Störmissionen, Einzelangriffe im Staffel- oder Gruppenrahmen oder auch Ablenkungsangriffe senden. Festlegen lassen sich die Uhrzeit, ja sogar das Rendezvous der Eskorten mit den Bombern, die Sammelpunkte, Hin- und Rückflugsrouten, Angriffshöhe und Angriffszeit.
Durchführungsphase
Jetzt wird es im wahrsten Sinne des Wortes ernst – die Durchführungsphase. Man hat die Option, die nächsten 12 Stunden durchlaufen und bei Bedarf unterbrechen, oder, wer es wirklich bis ins kleinste Detail kontrollieren und überwachen will, jeweils 5 Minuten Spielzeit ablaufen zu lassen. Die geplanten Missionen werden durchgeführt und man muss darauf vertrauen, dass alles so funktioniert wie man es sich vorgestellt hat. Natürlich ist dies, im richtigen Leben wie bei einer Simulation, unmöglich. Geplante Missionen kann man bei Europe Ablaze zwar nicht abbrechen, aber auf die Missionen des Gegners durchaus reagieren. Man kann verfügbare Staffeln oder Gruppe auf Patrouille schicken und ankommende oder schon abdrehende Bomber- und Geleitschutzverbände mit seinen Jägern abfangen. Auch hier wird alles bis auf das kleinste Detail so realistisch wie möglich berechnet und angezeigt. Nach Beendigung der Durchführungsphase geht es wieder zur Planungsphase über.
Szenario Editor
Einer der Punkte die damals schon den Reiz aller SSG Spiele ausmachte – der vorhandene Szenario Editor. Im Szenario Editor Handbuch von Europe Ablaze konnte man ein weiteres Szenario, in
mühevoller Kleinarbeit abtippen und somit im Editor erstellen. Alternativ gab es im Hausmagazin von SSG, Run5, die Möglichkeit weitere Szenarien für das Spielsystem zu erwerben; entweder auf
Diskette oder eben per Hand und mühevollem Abtippen.
Fazit
Spiele von SSG, darunter eben auch das schon erwähnte Carriers at War, sowie Reach for the Stars, gehören meiner Meinung nach generell zu den Meilensteilen des Genres von Konfliktsimulationen, gerade weil sie eben Impulse und neue Maßstäbe gesetzt haben. Etwa zum gleichen Zeitpunkt erschien auch U.S.A.A.F. entwickelt von Gary Grigsby und veröffentlicht von SSI. Von der Designphilosophie und dem Spielablauf zwar unterschiedlich aber zusammengefasst, eben wichtige Bausteine in der Weiterentwicklung von immer detaillierteren Konfliktsimulationen die sich mit dem strategischen Luftkrieg in Europa und später auch im Pazifi k befassen.
1992 veröffentlichte SSI beispielsweise Gary Grigsby’s Pacific War, fünf Jahre danach erschienen Titel wie 12’O Clock High – Bombing the Reich und Battle of Britain von Talonsoft. Diese Spiele wären ohne die Impulse und Innovationen der Klassiker wie Europe Ablaze, Carriers at War und U.S.A.A.F. sicherlich nie möglich gewesen.
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