von Toni "Granit" Welzmiller
"Die Geschichte Großbritanniens und seines Premierministers Lord William Clinck"
Autor: Wilhelm Klink
Spiele: Victoria, HOI 2 Darkest Hour
Modifikationen: Mex 1740er Mod, eigene Balancemodifikationen für den AAR
Spielland/Fraktion/Charakter: Großbritannien
Start des AAR: 19.09.2012
Besonderheiten:
Der AAR wurde angefangen im August 2010 auf heartsofiron.de und nach einer Weile wurde interessierten Lesern aufgrund der Größe des zu beherrschenden Empires gewisse Staatsdienste und Ministerposten im Zuge der konstitutionellen Monarchie aufgetragen und zugewiesen. Die so entstandenen Debatten über das weitere Vorgehen im Spiel und somit in der Geschichte selbst, waren stets in den Höflichkeitsfloskeln jener Zeit verfasst, informativ und oftmals waren die so zu lesenden “Briefwechsel” eine humoristische Ergänzung zum Gesamtwerk. Bedingt durch den Untergang des Forum heartsofiron.de, sind jene produktiven Leserkommentare leider nicht mehr auf Si-games.com erhalten, was der Lesefreude aber keinen Abbruch tut. Besonders hervorzuheben ist auch die Konvertierung des Victoria Endspielstandes zu Darkest Hour, wodurch die ohnehin üppige Geschichte nochmal an Tiefe und Fahrt gewinnt.
AAR Status:
Zur Zeit wird die Geschichte erfolgreich rekonstruiert und war zum Zeitpunkt des Unterganges des alten Forums, als bereits mit Darkest Hour weiter geschrieben wurde, noch nicht abgeschlossen.
Die Geschichte beginnt mit dem Anfang der Staatsgeschäfte eines gewissen 1st Earl Clinck of Aylesbury mit William Clinck als Name quasi aus erster Hand. Zuerst wird dem Leser ein kleiner Einblick über die Situation des British Empires dargeboten, ganz wie das Victoria Spiel es zu läßt in Außenpolitik, Wirtschaft, Kolonien und Militär.
Man darf sich in Erinnerung rufen, daß das Spiel mit entsprechender Modifikation im Jahre 1736 beginnt, eine Zeit in der das Rennen der Europäer um Absatzmärkte und Neuland bereits im vollen Gange war, eine Zeit in der über kurz oder lang auch gesellschaftliche Veränderungen eintreten würden.
Der meistens kriegerische Erwerb von Kolonien wird beschleunigt um den selbsterklärten Erzfeind Frankreich den Rang abzulaufen und schon nach wenigen Spieljahren ist das heutige Bangladesh Teil des Empires. Da der 1st Earl Clinck of Aylesbury die Fäden des ganzen zukünftigen Weltreiches allein in den Händen hält, kann es auch schon einmal passieren, daß Kriegserklärungen an unzivilisierte Länder wie Siam und Kambodscha aus reiner Routine des Unterschriften auf Dokumenten geben passieren, wahrscheinlich hat er sich verklickt. Als dann ein Krieg auf dem Kontinent ausbricht ist Großbritannien nach eigenen Angaben leider zu beschäftigt mit Aufständen in Asien und später noch in Schottland um sinnvoll zu intervenieren.
Aber in dieser Geschichte wird der Leser mit einem langen Atem schlußendlich noch genügend Konflikte mitbekommen, nicht zuletzt weil der Autor den Anspruch hegt, die Spielgeschehnisse zwar mit einer Brise Humor, aber auch realistisch widerzuspiegeln. Welteroberung a lá Command & Conquer ist hier nicht das vorrangige Ziel, sondern Großbritannien durch mehrere Jahrhunderte aufzubauen und zur etablierten Weltmacht zu machen. 1756 bricht dann der 7jährige Krieg aus, ein kompliziertes Bündnissystem, allen voran im ungeeinten Deutschland wird zum Anlass und Motor eines ausufernden Krieges der andere Großmächte wie Russland auf den Plan ruft. Die Aufrüstung Großbritanniens wurde bereits hochgefahren und insgeheim hofft William Clinck Frankreich in die Schranken zu verweisen, während britische Truppen Indien erobern und die Franzosen aus Nordamerika verjagen. Mit viel wörtlicher Rede und Dialogen zwischen den Screenshots aus dem Spiel, haben sogar einige uns bekannte Piraten ihre Auftritte, nur der plötzlich ausgerufene Unabhängigkeitskrieg der neuen Kolonie Nordamerika lenkt die Aufmerksamkeit des Autors wieder auf diesen, jetzt durch Truppenabzüge entblößten Schauplatz.
Geschichtliche Personen wie George Washington oder neue Thronbesteigungen reihen sich wunderbar in den Erzählstil zwischen skurrilen, ernsten und übertriebenen Handlungen unseres Weltreichlenkers. Mit übertrieben ist hier keineswegs etwas inhaltliches gemeint, zartbesaitete Leser merken aber schnell wie übertrieben rasch Clinck bei Missgeschicken seiner Leute die Wachen rufen läßt um die Todesstrafe auszusprechen. Spätestens wenn man an Henry VIII. denkt, kommt das angelsächsische Gebaren authentisch und zeitgemäß durch, repräsentiert daher laut Einleutungsworten des Autors die geschichtliche Entwicklung Großbritanniens. Wie zu erwarten, wird aber ein Teil des nordamerikanischen Kontinents unabhängig, 13 Kolonien zu den Vereinigten Staaten ausgerufen. Kurz vor der französischen Revolution wird noch die Dampfmaschine erfunden, die Industrialisierung wird nun langsam eingeleitet und mit dem aufkeimenden Liberalismus ist auf lange Sicht eine große Gesellschaftsveränderung im anbrechenden, langen viktorianischen Zeitalter zu erwarten.
Ein kurzer Schlagabtausch mit den revolutionären Franzosen bestärkt Großbritannien, doch schon wenige Jahre später kontert ein erstarktes und unter neuen Bündnissen stehendes Frankreich geschickt gegen die Weltmacht England. Man könnte meinen, ein gewisser Artilleriegeneral hätte die Gunst der Stunde in Frankreich genutzt und würde es zur erneuter Größe führen. Aber dieses Spiel mitsamt Geschichte entwickelt sich nicht in allen Dingen historisch und so hört man leider erst spät von einem Napoleon. Dafür wird der Leser ca. ab Kapitel 33 mit interessanten Sitzungsprotokollen in Dialogform entlohnt die Einblicke in die Gedankenwelt expansiver Herren des 19. Jahrhunderts geben und ich selbst fragte mich beim Durchlesen ob der Autor nicht doch ein paar “Briefwechsel” seiner (Leser-) Staatsminister irgendwoher retten konnte, doch laut dem Verfasser ist dies erst ab Kapitel 36 der Fall.
Überhaupt ist zu der Kapiteleinteilung zu sagen, daß diese im ersten Beitrag übersichtlich gestaltet, nach gewissen Phasen wie etwa “Die Koalitionskriege (1789 – 1814)” geordnet worden ist. Ein jeder Leser weiß bei AAR Geschichten ab einer bestimmten Größe so was immer zu schätzen.
Noch zeitgleich zum erneuten Kontinentalkrieg kolonisieren britische Soldaten mit dem Lied “Britannia rules the waves” auf den Lippen fleißig Australien und Teile Nordamerikas. Außenpolitisch geht William Clinck langsam zur Kontinentaldegenpolitik über, was an der Unterstützung der Sache des Vereinigten Königreiches der Niederlande ersichtlich wird. Historische Ereignisse wie der Wiener Kongress oder der Deutsche Bund runden den Lesespaß zeitgemäß ab, auch geizt der Autor nicht mit Bibliothekseröffungsereignissen oder mit so gänzlich utopischen Ideen wie etwa Sozialdarwinismus zwischen all den Kriegsmeldungen. Die Früchte der Aufklärung und des Liberalismus sind unter anderem Nationalismus, welcher Irland revoltieren läßt und das in Südamerika tätig werdende britische Königshaus mit neu ausgerufenen Ländern unter Simon Bolivar konfrontiert, doch langsam konsolidiert sich das British Empire unter dem Zeichen der Dampfeisenbahn, Handelsbeziehungen und einer geschickten Zoll- und Steuerpolitik.
Vielleicht muß das Empire seine härteste Prüfung aber noch in der Zukunft meistern.
Fazit
“Pomp & Circumstance” vom Autor Wilhelm Klink ist eines der Juwelen des deutschsprachigen AAR-Genres. Zuerst mag einem die Fülle und Dichte der Geschehnisse erschlagen, aber wer keine Angst vor dem Lesen und einer witzigen Geschichte mit einer historischen Tiefe nebst überraschenden Wendungen besitzt, darf hier getrost zugreifen.Der Schreibstil und das Einbinden der Leserschaft wirkt hier zunehmend fesselnd und sorgen für unterhaltende Mußestunden vor dem Rechner die durch eine ausgewogene Mischung zwischen Screenshots und anderen Bildern niemals langweilig werden.
Kommentar schreiben