1. Civilization Beyond Earth (CivBE) - Aussichten und Kommentare zu einzelnen Features

von Oliver Weidemann


Worum geht es in den folgenden Artikeln?

In den folgenden Artikeln möchte ich über Civilization Beyond Earth (im Folgenden CivBE) sprechen. Nicht nur Fans werden sich fragen, ob es dieses Spiel wert ist, dass man seine Zeit damit verbringt oder ob es als Geschenk taugt? Für wen im Besonderen und für wen eher nicht? In jedem der folgenden Artikel möchte ich mich mit einigen Features und Themen beschäftigen und darüber berichten, wie sich Civilisation (im Folgenden Civ) in das Spieleumfeld von 2014 einordnen lässt. Die Entwickler haben viele Möglichkeiten, die sie wahrnehmen und Hindernisse denen sie zu begegnen haben.

Das Umfeld von CivBE

Damit man eine Ahnung davon bekommt, womit sich ein Entwickler-Team konfrontiert sieht, mache ich zuerst einige Kernpunkte aus: Die Geschäftsführung will Profit erwirtschaften, die Mitarbeiter wollen sich selbst verwirklichen und die Fans wollen ein Spiel, dass Spaß macht und einerseits dem Vorgänger sehr ähnlich und andererseits doch wieder ganz anders ist. Man kann es keinem Recht machen. Und wovon handelt nun CivBE?

Es geht um die Zukunft und Science-Fiction, um die Entdeckung einer neuen Welt um Handel, Verwaltung und Krieg zwischen Fraktionen. Es geht um Taktik und Strategie auf einem exotischen Planeten. Es ist ein Globalstrategiespiel.

Auf der einen Seite bewegt sich CivBE im Sci-Fi-Umfeld und wird daher auch anderen Fiktionen gemessen. Darunter fallen viele Titel, so dass ich nur einige exemplarisch nennen möchte: Alpha Centauri, Perry Rhodan, Star Wars, StarTrek, Mass Effect und natürlich StarCraft. All diese Zukunftsvisionen haben einen Einfluss auf die Spielegemeinschaft und daher kann es mitunter sehr schwer sein, sich mit seiner Vorstellung gegenüber den Anderen abzugrenzen und zu behaupten. (Mitunter ist dies so schwer, dass man schon von einem Mantra „Starcraft Nicht zu kopieren“ spricht).

Auf der anderen Seite muss CivBE mit anderen Titeln desselben Genres konkurrieren, also mit den Globalstrategiespielen. Im weiteren Umfeld finden sich Titel aus dem Hause Paradox oder Galactic Civilisations; im näheren Umfeld die anderen erfolgreichen Titel von Firaxis, die Civ-Vorgänger insbesondere Civ4 und Civ5 und natürlich das sehr viel ältere Alpha Centauri (Abgekürzt SMAC für Sid Meiers Alpha Centauri von 1999), also dem Urgestein und einem Remake Pandora: First Contact von Proxy . SMAC ist zwar in die Jahre gekommen, hat aber im Rahmen der 4X Spiele im Genre Sci-Fi Standards gesetzt und war meines Erachtens seiner Zeit voraus. SMAC wird von WritingBull als die Mutter von CivBE genannt. Das Remake Pandora nimmt für sich in Anspruch der gedankliche Nachfolger von Alpha Centauri zu sein und hat schon allein daher (zurecht) viel Aufmerksamkeit erhalten. Daher kann man sich hier die Frage stellen, ob Firaxis beim Wiedereinstieg in das Sci-Fi Genre zu lange gewartet hat.

Doch zurück zum Umfeld, welches stark von Medien-Bewertungen beeinflusst wird. Bei Pandora reichten zum Zeitpunkt der Veröffentlichung die Wertungen von enttäuschend bis hin zu optimistisch. Im Grunde aber trifft es quill18 mit seiner Aussage in seinem Review am Besten und das im Grunde nicht nur für dieses Konkurrenzprodukt, sondern für viele Spiele überhaupt:

„Die Vanilla-Version würde mir schon nach wenigen Spielen zu wenig bieten, wird am Spiel aber weiter gearbeitet, kann dies zu einem wirklich guten Titel werden“ (hier inhaltsgemäß und nicht wortwörtlich wiedergegeben). Die Produzenten müssen sich also genau überlegen, wann ein Spiel als „fertig“ gilt oder ob man nicht noch etwas mehr Zeit in Entwicklung und Testung stecken sollte. Dabei geben Fans kleineren Start-Ups manchmal mehr Zeit als großen Entwickler-Teams. Entscheidend ist vielmehr, dass sich die Entwickler fortlaufend um die Spiel-Fehler kümmern.

Der Publisher 2KGames und der Entwickler Firaxis sind bekannte Namen, bekannt für gute Produkte mit Erweiterungen, die auch tatsächlich mehr Spaß bieten. Die eigene Messlatte und die Erwartungshaltung der Fangemeinde sind dementsprechend hoch. Die vorangehenden Erfolge verlangen nach einer Fortführung. Zudem haben sich seit einigen Jahren Teile der Fangemeinde emanzipiert und schlucken nicht mehr jeden Schund der produziert wird. Spieler fordern immer öfter Mitbestimmung ein und diese wird immer öfter ermöglicht. Spiele werden hierbei auch in einem Stadium zum Kauf angeboten in denen das Spiel noch gar nicht spielbar ist, damit schon frühzeitig der Kontakt mit der Fangemeinde möglich wird.Fans können konstruktiv und interaktiv in den weiteren Entwicklungsprozess eingreifen/integriert werden. Diese Mitbestimmung ist durch Vorversionen oder auch Alpha-Versionen möglich. Eine hohe Bedeutung bei den der Community kommt der Grafik, Gestaltung, und Menüführung – dem GUI (Graphical User Interface) zu. Es hochwichtig für das Spielgefühl und prägt zu einem gewissen Punkt hin auch unser Bild von Zukunft. Es ergeben sich gänzlich andere Ergebnisse in einem wechselseitigen Prozess, denn Fans können hierbei so ungenießbar werden, wie so manches Kleinkind, das seinem Lieblings-Lolli im Einkaufsregal sieht. Man kommt auf Themen und Probleme zu sprechen und es werden Wünsche geäußert, die bei den Entwicklern z.B. aus internen oder programmiertechnischen Gründen zurück gestellt werden.

Firaxis hatte keine Alpha-Versionen veröffentlicht und damit die heutigen Möglichkeiten der Kommunikation weniger genutzt, als dies bei anderen Spielen der Fall ist. Bei StarCitizen oder Endless Legend etwa kann die gesamte Gemeinschaft oder besonders aktive Spieler über Erweiterungen abstimmen. Stattdessen werden zu Anfragen auf mögliche Spielfeatures keine eindeutigen Aussagen getroffen, so dass daraufhin in der Community Spekulationen darüber geführt werden, welche neuen Features geplant sind und ob diese in kostenpflichtige Erweiterungen oder in kostenlosen Patches eingefügt werden.

Für den langfristigen Erfolg sind Mods (Modifikationen) entscheidend geworden. Die Entscheidung, ob ein Spiel leicht modifizierbar ist, ist für den Spieltitel von hoher Bedeutung. Erlangt ein Titel eine breite Fanszene übernimmt diese auf lange Sicht den Titel und verändert ihn stetig und häufiger als die Entwickler-Teams, möglicherweise auch dann noch, wenn der Entwickler nicht mehr weiter daran arbeitet. Entwickler müssen sich bei Erstellen eines Spieles überlegen, in wieweit Sie ihre Engine modifizierbar gestalten, da Mods älterer Titel dann eine Konkurrenz zu dem neuen Produkt bilden. Wenn ein neuer Titel wie CivBE auf der Basis einer älteren Engine (Civ5) aufbaut, kann sich die Fangemeinde schon fragen, ob sie da nicht Civ5 im Weltall kauft oder warum Sie für die alte Engine ein weiteres Mal einen Vollpreis zahlen soll. Sie hat doch bereits einmal gezahlt und kann auch auf einige großartige Szenarien zurückgreifen. Da CivBE auf der Engine von Civ5 aufbaut, kann hier ein entscheidender Nachteil erwachsen, wenn die Nähe zu Civ5 zu deutlich wird. Der Unterschied muss nicht nur grafisch sichtbar, sondern auch in der Spielerfahrung deutlich werden.

Nähe ist ein zweischneidiges Schwert. Ein Teil der Fangemeinde ist stets begeistert, der Andere stets kritisch. Ein Beispiel ist die Entwicklung von Civ5Der Vorgänger Civ4 ist hoch erfolgreich und hat auch nach 9 Jahren und trotz des Nachfolgers Civ5 immer noch viele Anhänger. Die Diskussion bei dem Release von Civ5 drehten sich weniger um Thema oder Setting, denn diese blieben gleich, sondern waren dominiert von dem Wechsel im Interfaces hin zu Hexfeldern und einer entscheidenden Platzierungs- und Bewegungsregel , die die Fans in zwei Lager spaltete:

Nur eine Einheit pro Feld. 1UT (im engl. 1 Unit per Tile), bewirkt eine starke Reduzierung von Armeegröße und taktischer Kriegsführung. Für Spieler die schon lange Civ-Erfahrung hatten, konnte dies zu viel Änderung sein. Sie waren es gewohnt, Armeen und Einheiten vielfach auf einem Feld zu „stapeln“ und Feldzüge mit über 30 Einheiten zu managen. Der Wechsel zu 1UT und damit zu Streitmächten, die man mit zehn militärischen Einheiten nun auch noch groß nennen musste, war ein regelrechter Affront. Da modifizierte oder spielte man doch lieber im alten System. So gibt es etwa für Civ4 recht umfangreiche und stimmige Mods, auch im Science-Fiction Setting zum Beispiel eine Modifikation, die in der Welt von Dune, der Wüstenplanet spielt. Für die Gelegenheitsspieler oder Neueinsteiger war 1UT eine deutliche Verbesserung, da in diesem System nur wenige Einheiten operieren und man daher leichter den Überblick behält.

CivBE hat einerseits schwierige andererseits gute Startbedingungen. Bisher ist die Gefahr, dass CivBE zu viel Nähe zu Civ5 aufweist, alleine durch die Nutzung von Teilen der Civ5 Engine gegeben. Jedoch anders als im oben beschriebenen Veröffentlichung von Civ5 können wir nun nicht einen Wechsel in der GUI, sondern bei den narrative Elementen, also Thema und Setting mitverfolgen. Dennoch bleibt das Umfeld von CivBE ein wenig anders gelagert als bei Civ5, denn das weitere Umfeld gestaltet sich anders, da bereits andere Titel im Genre der Strategiespiele gute Plätze belegt haben. Es wird CivBE schwerer fallen sich im Bereich der Atmosphäre zu behaupten. Nicht nur eigene ältere Titel und deren Remakes, sondern auch auf Seiten der Story haben andere „Geschichten“ auf diesem Feld schon Spuren hinterlassen. Die Aufgabe eine eigenständige gute Spiel-Atmosphäre zu errichten, ist für sich genommen schon anspruchs voll und wird durch die vielen anderen Fiktionen und die hohen Erwartungen der Community nicht einfacher. 

Ein anders Paradebeispiel für gute und schlechte Nähe ist die Reihe Master of Orion (MoO). 1993 war MoO1 war ein Hit, Beibehaltung der Spielmechanik bei erhöhter Spieltiefe machte MoO2 (1996) zu einem der großen Titel im Genre der Rundenstrategiespiele. Man behielt stets das Gefühl sein gesamtes Imperium managen zu können. Bei MoO3 (2003) jedoch wurde der Bogen überspannt: Zu viel Mikromanagement und durch das schlechte Interface verlor man schon sehr früh den Überblick über sein Imperium. Im dritten Teil musste den Spielspaß in den Menüs, Untermenüs und Statistiken regelrecht suchen. Lediglich die Spieltiefe zu erhöhen führte zu einem Misserfolg. Die Entwickler hatten an den Wünschen der Fan-Szene vorbei gearbeitet: MoO3 war eine der größten Enttäuschungen seiner Zeit, insbesondere da die Erwartungen durch die vorherigen Erfolge besonders hoch lagen.

Ob CivBE ein kleiner oder großer Erfolg wird, entscheidet sich nicht nur am Mut zu mehr Veränderungen oder vielleicht an der Fähigkeit Neugier zu wecken und diese stetig weitere Nahrung zu geben werden, sondern oftmals an der Frage: Werden die Wünsche der Szene getroffen?

Hier kann sich Firaxis positionieren. Zwar wird der Mehrspieler-Modus bei den Titeln der Civ-Reihe wichtiger, allerdings wird Firaxis wohl auch bei CivBE erst mal den Fokus auf den Einzelspieler-Modus halten. Hier sind andere Spielinhalte als für den Mehrspieler-Modus von höherer Bedeutung: Insbesondere die KI. Gelingt es, dass Sie sinnvoll und nachvollziehbar auf Aktionen der menschlichen Spieler zu reagiert? Bisher vermisst man in vielen Spielen die Logik in den Handlungen der KI. Dies ist wohl einer der schwierigsten Parts bei der Programmierung, der auch eher selten in Mods verbessert wird. Gute Fortschritte bei dieser Problematik kann man in den Produkten aus dem Hause Paradox finden, die ebenfalls Globalstrategiespiele herstellen und sich damit sehr erfolgreich ihren Platz im Markt gefunden haben. Im Bereich der KI hat Firaxis Besserung gelobt.

Gelingt es, die KI entscheidend zu verbessern, dürfte deutlich werden dass CivBE mit seinen weiteren Veränderungen nicht mehr leichterhand als Modifikation von Civ5 erklärt werden kann, selbst wenn bekannte Spielmechaniken weiter verwendet. In wieweit sich CivBE im Spielgefühl gegenüber der Konkurrenz anderer Spieletiteln durchzusetzen vermag, gelingt durch Anspielen oder aber durch Lesen von Teil 2, „The Big Picture“, welcher über die Story und über das Bild von Zukunft und Fortschritt bei CivBE berichtet.