War Thunder Ground Forces – Eine erste Einschätzung

von Bengt Weiberg

geschrieben im August 2014


Eine Online-Multiplayer-Spiel, dass einem die Möglichkeit gibt, Panzer und Flugzeuge gleichzeitig zu spielen, sogar als Simulation?! Der Wahnsinn! Naja. Dachte ich, als mir die ersten Gerüchte über die Ground-Forces-Beta zu Ohren kamen. War Thunder, also den Part mit den Flugzeugen, spielte ich zu diesem Zeitpunkt bereits seit ca. einem halben Jahr. Zu meiner Schande, muss ich gestehen, mangels Stick nicht im Simulations- sondern Realistisch- und Arcade-Modus. Über die Qualität des fliegerischen Teils von War Thunder kann man streiten, nach meiner Auffassung ist es besser als alles andere am Markt derzeit. Aber hier soll es ja um die Panzer gehen. Also, wie steht es um diese?

Im Moment gibt es nur für zwei der insgesamt fünf im Spiel vorhandenen Parteien Panzerfahrzeuge, und zwar für Deutschland und die Sowjetunion. Der Rest (USA, Großbritannien, Japan) muss sich noch gedulden. Die Forschungsbäume umfassen aktuell die bekanntesten Panzer des Zweiten Weltkrieges, sowie auf sowjetischer Seite einige frühe Nachkriegspanzer. Weitere, auch weniger bekannte Panzermodelle und verschiedene Varianten dieser werden vermutlich noch nachgereicht. Die Entwickler von War Thunder, Gaijin Entertainment, greifen dabei nur auf reale Fahrzeuge zurück. Dazu zählen natürlich auch Prototypen, die nie im Einsatz standen, aber man verzichtet auf  Panzer, die nie über das Reißbrett hinaus gelangten. Wobei „Panzer“ da nicht ganz der korrekte Begriff ist, denn man findet in den Forschungsbäumen auch einige Flakfahrzeuge wie den SdKfz 6/2.

Und diese sind bitter nötig. Denn in den Spielmodi Realistisch und Simulator greifen auch Spieler mit ihren Jägern und Bombern in die Kämpfe ein. Auch wenn hier die KI-gesteuerte stationäre Flak rund um das Panzerschlachtfeld bereits reichlich gefährlich ist, können doch geübte Flak-Spieler den Unterschied machen. So eine 1000-Kilo-Bombe macht auch dem dicksten Königstiger den Gar aus. Dass War Thunder noch in der Betaphase ist, und speziell bei den Ground Forces noch in einer frühen (die Closed Beta endete erst im Mai) merkt man gerade hier noch deutlich. Das Balancing der Wirkung von Fliegerwaffen gegen selbst schwere Panzer wie den IS-2 ist noch wacklig, mir gelang es in einer Partie, einen IS-1 im Tiefflug durch Bordwaffenbeschuss auszuschalten. Mit einer Ju 87 G1/2 wäre das noch denkbar, ich flog eine FW190 A-8 mit 20mm-Kanonen, die Luftzielmunition geladen hatte. Andere Spieler berichten ähnliches von teils 30-40 Meter entfernt einschlagenden Bomben, die ihre Fahrzeuge schwerstens beschädigen oder zerstören. Speziell die Raketen einiger Schlachtflugzeuge zerstören Panzer bereits bei Nahtreffern, obwohl Direkttreffer nötig wären.

Hinzu kommen, in allen drei Spielmodi, immer noch einige Bugs. Typisch sind unsichtbare Bodenwellen, die schnell einmal das Getriebe zerstören oder eine Kette abreissen. Auch sind teils die Schadensmodelle noch nicht voll ausgereift, deutsche Panzer neigen häufig dazu, selbst bei Abprallern beschädigte Turmantriebe und Geschütze abzubekommen, und die Wirksamkeit der Standardmunition ist derzeit noch nicht den historischen Dokumenten entsprechend. Allerdings sind die Fehler eher marginal und treten, dank Gaijins prompter Update-Tätigkeit, auch immer seltener auf. Seit der CBT endete, hat das Spiel im Schnitt alle zwei bis drei Tage ein kleineres oder größeres Update erhalten, das Balancingprobleme korrigiert, Fehler behebt und weitere Inhalte einfügt.

Auf der Haben-Seite stehen allerdings auch einige deutliche Faktoren: Zum einen (und für alle großen Simulationsfans wohl eher nebensächlich), eine wirklich exzellente Grafik, die dabei auch auf mittleren Einstellungen mit einem älteren Rechner aus dem Jahre 2010 immer noch ansehnlich ist und flüssig läuft. Die Einstellung „Film“ sollte man dabei aber nur mit einem aktuellen Rechner gehobener Leistungsklasse wählen, auch wenn das Spiel hier wirklich phänomenal aussieht, mit einer niedrigen Framerate gewinnt man hier keinen Blumentopf.

Zum anderen die ungewohnt zurückhaltende und teamfähige Spielerbasis. Besonders in den anspruchsvolleren Modi Realistisch und Simulator wird eng zusammengearbeitet und eher selten über das eigene Team, sondern eher über den Gegner geschimpft. Besonders unangenehme Typen werden vom rasch reagierenden Community-Mod-Team stumm geschaltet oder sogar vom Server gebanned. Das garantiert eine, im Vergleich zum großen Konkurrenten World of Tanks, ruhigere Atmosphäre im Spiel. Eine zusätzliche Hemmschwelle, die mir selber eher positiv auffiel, ist die etwas höhere Komplexität  gegenüber der Konkurrenz. Zielhilfen fallen schon auf Realistisch komplett weg, im Simulator-Modus werden Gegner dann gar nicht mehr markiert und das Sichtfeld auf die Kommandantenansicht beschränkt. Nur wer dann gut mit den verschiedenen Panzervarianten vertraut ist, schießt nicht in Panik versehentlich einmal einen Teamkameraden ab. Hilfreich als auch hinderlich (und auch einfach nur eine schöne Idee) ist dabei natürlich die Möglichkeit, die eigenen Fahrzeuge zu individualisieren, mit historischen Markierungen, Nationalflaggen etc.pp., ohne dafür zahlen zu müssen. Alle Embleme und Tarnschemata sind kauf-, aber auch freispielbar.

Schlussendlich noch der größte Pluspunkt überhaupt: Es ist kostenlos. Und auch kostenlos hat man keine gravierenden Nachteile gegenüber denen, die Geld in die Hand nehmen. Der berüchtigte Begriff „Pay2win“ spielt hier keine Rolle. Ich selber habe bisher nur in einem Fall einmalig Geld ausgeben, weil ich unbedingt eine erfahrenere Bomberbesatzung haben wollte. Ansonsten bin ich komplett kostenlos unterwegs, und die kaufbaren Premiumpanzer und -flugzeuge haben sich bisher immer als schlagbar erwiesen.

Wer War Thunder eine Chance gibt, und nicht mit zu hohen Erwartungen einsteigt, wird nicht enttäuscht werden. Eine gewichtige Alternative gegenüber World of Tanks ist es allemal, und für Simulationsfans sogar eine bedeutend bessere, auch wenn es noch nicht voll ausgereift und im Beta-Status ist. Wer weiß, vielleicht trifft man sich ja in Zukunft auf dem Schlachtfeld?

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